
»Ich sammle Momente …«
// JULIA ERZ // Jan Klose-Brüdern (Text)
Obwohl ich vor gar nicht so langer Zeit mit dem Bericht über Fred Hüning einen Fotografen besprochen habe, der sich dem Thema ›Nähe‹ und seinem allernächsten Umfeld, seiner Familie, widmet, bin ich trotzdem, erstaunt, dass dieses Thema merkwürdig selten sichtbar wird. Es scheint, als wäre das ein rein privates Genre der Fotografie. Aber, wenn ich folgendes Bild sehe, kann man hoffen, dass da eine neue Generation von Fotografen heranwächst, die sich der Familienreportage widmen …
Überrascht hat mich diese Antwort, da ich von vielen Reportage-Fotografen weiß, dass sie erst durch eine fremde Umgebung die innere Einstellung auf ›Berichterstattung‹ umschalten können … für den Blick auf die eigene Umgebung, die persönlichen Dinge der Alltäglichkeit fehlt diesen Fotografen der nötige Abstand. Und vielleicht auch die notwendige Faszination.
Das macht Julia Erz inzwischen nicht nur in den eigenen vier Wänden. Mal davon abgesehen, dass die inzwischen 5-köpfige Familie nicht viel Zeit lässt große Projekte zu entwickeln – aus dem Sammeln der eigenen Familienmomente wurde 2015 ein Nebenjob, diese Momente auch in anderen Familien zu finden. Den Wert des täglichen Familienglücks oder auch Unglücks festzuhalten: Geburtsbegleitung, Sterbebegleitung und Familienreportagen. Dabei geht sie zu mehreren Terminen in die Familien, lebt für einige Stunden mit ihnen und begleitet etwas Familienlebenszeit. Es geht nur um das ›dabei sein‹ und darum, unmerklich Bilder – also Momente – festzuhalten, die alltäglich, normal und völlig umgestellt sind. ›Echt, rund, authentisch … kein Posing, keine Inszenierung.‹ Die Bilder müssen nicht gefallen, sondern erzählen. »Der erste Termin ist oft noch sehr befangen, man braucht Zeit, um sich aneinander zu gewöhnen. Aber es kommt der Moment, wo ich als Fotografin gar nicht mehr da bin. Und dann entstehen die Momente, die ich suche«.
Die Serie oben, die sie sehen, wenn Sie auf das Bild klicken, zeigt die Zeit kurz vor und nach der Geburt des eigenen, dritten Kindes. Mehr von der Familienfotografin Julia Erz finden Sie hier:
Beim Betrachten der Bilder fällt auf, dass hier nicht die Faszination von Besonderheiten zu sehen ist. Hier fasziniert das Normale, das in der Fotografie heute merkwürdig besonders ist. Die Anziehungskraft liegt auch darin, dass gar nicht erst die Frage aufkommt, wer denn da abgebildet ist. Es geht meist um Momente, die in unserem Erfahrungsschatz verinnerlicht sind: Das Warten im Krankenhaus, die balgenden Kinder, die Großmutter, die mit den Enkeln spielt … kennen wir. Aber erst mit diesen Bildern dämmert es, dass das unendlich besondere Momente sind. Wir können in den Momenten anderer unsere eigenen als wertvoll sehen. Denn Julia Erz hat sie für uns gesammelt.